Brot backen mit Sauerteig – mein persönliches, kleines Einmaleins
Brot backen mit Sauerteig – mein persönliches, kleines Einmaleins
Über Brot-Back-Basics kann man dicke Fachbücher schreiben und ich habe ganz sicher nicht den Anspruch hier ein ausführliches Lexikon zu erstellen. Dieser Mamutaufgabe haben sich längst andere gewidmet, die ungleich mehr Erfahrung und Wissen haben als ich (z.B. Lutz Geißler auf baeckerlatein.de). Was ich hier zusammen geschrieben habe, ist eher mein kleines Einmaleins des Brotbackens, so wie es für mich persönlich funktioniert.
Beim Verbloggen von Broten habe ich oft gehadert, wie sehr ich ins Detail gehen soll oder muss, damit das Rezept für möglichst viele verständlich bleibt. Die Punkte, die ich in Zukunft als Grundwissen voraussetzen werde, findet ihr alle gesammelt hier. Und wenn ich mal wieder etwas Sauerteig an Freunde weiter reiche, muss ich auch keine Romane mehr zur Pflege schreiben.
Grundsätzliches: Womit backen wir?
Damit unser Brot kein kompakter Klumpen aus Mehl und Wasser bleibt, brauchen wir ein Triebmittel:
- Backpulver oder Natron: Damit lassen sich schnell Brote backen, nach dem selben Prinzip wie man auch Muffins bäckt. Für den Geschmack muss man einige zusätzliche Zutaten wie Gewürze, Saaten, Nüsse oder geriebenes Gemüse zugeben, denn viel Aroma steckt in diesen “Sodabreads” sonst nicht.
- Hefe: Man kennt sie von süßem Hefegebäck und mit der auf der Packung angegebenen Dosierung ist der Hefegeschmack im fertigen Backwerk sehr deutlich. Für Weißbrote, Ciabatta oder Baguette verwendet man wesentlich geringere Mengen Hefe in der Größenordnung 3-5 g Frischhefe auf 500 g Mehl und lässt den Teig 24 h oder länger gehen, manchmal im Kühlschrank. Dabei entwickeln sich ganz von alleine tolle Aromen. Ähnlich kleine Mengen Hefe eignen sich auch, um den Trieb von Sauerteig-Brotteigen zu unterstützen.
Tipp: Frische Hefe zerbröckeln, auf Backpapier ausgebreitet einfrieren und dann in einer kleinen Dose im Tiefkühler aufbewahren. So könnt ihr auch winzige Mengen entnehmen und nichts verdirbt. Die Hefe verliert ein wenig an Triebkraft, aber nicht mehr als beim üblichen Alterungsprozess.
- Sauerteig: Wenn man ein kräftiges Roggenbrot backen möchte, kommt man nicht um ihn herum. Sauerteig kann auf Basis verschiedener Mehlsorten hergestellt werden und der Geschmack ist jeweils leicht unterschiedlich, da sich andere Milchsäurebakterien und Hefen ansiedeln. Vom Sauerteig behält man immer einen Rest zurück und päppelt ihn vor dem nächsten Backen auf. Er braucht also etwas Pflege und die mit ihm gebackenen Brote brauchen unbedingt Zeit und ein wenig Achtsamkeit. Dafür wird man mit lange frischhaltenden Broten belohnt, deren Geschmack ganz unterschiedlich sein kann. Mit milden Weizensauerteigen kann man auch süß backen, vielleicht erinnert ihr euch an Hermann.
Je nach Triebmittel und Rezept reichen also Mehl, Wasser, etwas Salz und das Triebmittel schon aus, wobei den zusätzlichen Zutaten natürlich keine Grenzen gesetzt sind. Ich konzentriere mich heute auf die Sauerteigbäckerei, denn bei der ist der Einstieg erstmal am kompliziertesten.
“Mein erster Sauerteig” – Ansetzen oder geschenkt bekommen
Sauerteig kann man in Päckchen kaufen, aber der ist meist nicht mehr so fit und triebstark wie frischer und lässt sich auch nicht unbedingt weiter vermehren. Ich habe meinen Sauerteig schon mehrfach selbst angesetzt, das dauert zwar ca. 5 Tage, macht aber kaum Arbeit:
- Am ersten Tag 50 g Roggenvollkornmehl mit 50 g lauwarmen Wasser verrühren, locker (nicht luftdicht) abdecken und bei Raumtemperatur stehen lassen.
- Am zweiten und dritten Tag jeweils 50 g Mehl und 50 g Wasser dazugeben, alles verrühren und stehen lassen.
- Am vierten Tag sollte der Sauerteig schon sichtbar leben, ansonsten 1 EL Mehl und 2 EL Wasser zugeben und noch einen Tag stehen lassen. Wenn der Sauerteig dann lebendig ist, könnt ihr ihn direkt in einem Brotteig verbacken.
- Optional: Eurem Sauerteig einen Namen geben
Lebender Sauerteig riecht säuerlich und ist von kleinen Blasen durchzogen. Er sollte nicht stinken, sich bunt färben oder Härchen bekommen – dann haben sich die falschen Kulturen angesiedelt. Am einfachsten ist, wenn ihr jemanden kennt, der euch etwas Sauerteig abgeben kann. Dann spart ihr euch das Ansetzen und habt gleich einen triebstarken Sauerteig, denn ganz junger hat damit am Anfang noch Schwierigkeiten.
Sauerteig pflegen und “führen”
Man behält beim Backen immer einen kleinen Rest Sauerteig zurück, der im Kühlschrank aufbewahrt wird, das sogenannte Anstellgut. Bevor ihr also euren frisch gezogenen Sauerteig komplett in einen Brotteig verknetet, nehmt unbedingt 1-2 EL davon ab. Mein (Roggen-)Anstellgut wohnt in einem alten Marmeladenglas.
Anstellgut will regelmäßig gefüttert werden, ich rühre dafür etwa alle ein bis zwei Wochen 2-3 EL Roggenvollkornmehl und 1-2 EL Wasser unter und lasse ihn einige Stunden bei warmer Raumtemperatur (ca. 22 Grad) stehen. In dieser Zeit werden die Hefen aktiv und arbeiten, es bilden sich die kleinen Bläschen überall im Sauerteig. Dann kommt er wieder in den Kühlschrank. Je häufiger man füttert, desto besser, aber dann hat man schnell sehr viel Anstellgut. Deshalb mache ich es nur alle ein bis zwei Wochen, auch wenn mir dann oft ein leicht alkoholischer Geruch entgegenweht, der bedeutet, dass der Sauerteig hungrig ist.
Alternativ zu diesem separaten Führen kann man auch beim Brot backen immer wieder etwas frisch vermehrten Sauerteig abzweigen und für das nächste Backen aufzubewahren. Denn um Sauerteigbrot zu backen wird immer eine Mehl-Wasser-Mischung mit einer kleinen Menge Anstellgut vermischt, stehen gelassen und so eine größere Menge Sauerteig erzeugt. Allerdings habe ich einmal vergessen etwas davon zurückzubehalten und schon war mein gesamter Sauerteig verbacken – seitdem führe ich ihn lieber separat.
Sauerteig vorbereiten zum Backen
Zum Backen wird also etwas Anstellgut nach Anleitung des Rezepts mit Mehl und Wasser vermischt und bei unterschiedlicher Temperatur stehen gelassen – genaueres steht im jeweiligen Rezept. Im Prinzip ist das dasselbe, wie beim initialen Ansetzen, aber durch das Anstellgut impfen wir die Mehl-Wassermischung gleich mit den richtigen Hefen und Bakterien. Um Weizen- oder Dinkelsauerteig herzustellen, muss man eigentlich Anstellgut verwenden, dass auch aus Weizen- oder Dinkelmehl besteht – mit Roggen-Anstellgut klappt es aber auch, auch wenn der Geschmack dann etwas anders ist.
Vorteilhaft für den Sauerteig kann außerdem eine leicht fallende Temperatur sein, über 12 h Reifezeit etwa von 33°C auf 23°C. Die kann man erzeugen, indem man den Teig gemeinsam mit einem Glas kochenden Wasser in die ausgeschaltete Mikrowelle oder den Ofen stellt. Das Wasser wärmt die Luft erst auf, kühlt dann langsam ab und sorgt für den Temperaturabfall. Den gleichen Effekt bekommt man, wenn man die Lampe im ausgeschalteten Ofen die ersten Stunden an lässt und dann für den Rest der Zeit ausschaltet.
Der Vollständigkeit halber: Man kann Sauerteig auch in mehreren Stufen führen, mit immer mehr Mehl und Wasser unterschiedlicher Temperatur. Aber ehrlich gesagt war mir persönlich das bisher immer zu viel Aufwand.
Notwendige und optionale Ausrüstung
Kommen wir zum Zubehör. Da gibt es viele tolle Dinge, aber für den Anfang braucht es das meiste nicht. Ein paar Schüsseln sind wichtig, die Zutaten und ein Backofen natürlich. Letzterer muss nicht Hightech sein, er sollte schlicht Ober-Unterhitze können und bis (mindestens) 250°C gehen – Umluft wird beim Brotbacken ohnehin nicht verwendet.
Statt eines Gärkörbchens (um dem Brot eine schöne Form zu geben) genügt erst mal auch eine Schüssel, die mit einem Küchenhandtuch ausgelegt und großzügig bemehlt wird. Um das Brot in den Ofen zu bugsieren tut es auch ein Holzbrett statt eines extra Schiebers. Statt einen Backstein aufzuheizen, um das Brot darauf zu backen, bringt auch schon das Vorheizen eines Blechs recht gute Ergebnisse. Wenn ihr ein Brot in einer Form backt (statt ohne Form “freigeschoben”), könnt ihr auch eine Kuchen-Kastenform verwenden, statt einer extra Brotform. Spezielle Bleche, Teigkanten zum Teig abtrennen oder sogar eine Knetmaschine sind zwar hilfreich, aber bei den ersten Versuchen geht es auch ohne.
Wenn ihr häufiger backt, dann lohnen sich solche Anschaffungen schon eher. Ich bin sehr glücklich mit meinen drei Gärkörbchen aus Holzschliff. Außerdem habe ich einen Schieber aus Holz und eine alte Plastik-Teigkante, die bei meiner Mutter herum lag. 2019 habe ich außerdem noch einen alten gusseisernen Topf von ihr übernommen, in dem sehr tolle Brote entstehen und den ich fast nur dafür verwende. Übrigens habe ich nach wie vor keine Knetmaschine, ich knete nur per Hand.
Ein bisschen Fachchinesisch: Grundbegriffe
Wir haben jetzt also unseren Sauerteig startklar, ein paar Schüsseln und Zutaten griffbereit und wollen anfangen zu backen. Fehlt noch das passende Rezept, aber auch wenn es ein ausführlich beschriebenes ist, werden euch sicher einige Fachbegriffe unterkommen. Für einen Fachmann sind derart exakte und kompakte Begriffe zwar toll, aber als Neuling steht man erst mal da wie der Ochs vor dem Berg. Ein paar Grundbegriffe helfen da schon ein ganzes Stück weiter:
- ASG – Anstellgut. Darüber haben wir oben schon gesprochen, der Rest alter Sauerteig im Kühlschrank.
- Einschießen – Das Brot in den Ofen schieben.
- Gare – “Volle Gare”, “knappe Gare”, “Untergare”, all das gibt den Reifezustand des Teigs an. Hier im Sauerteig-Forum ist gut beschrieben, wie man ihn mit der sogenannten Fingerprobe ungefähr erkennen kann und somit weiß, wann man das Brot in den Ofen schieben muss. Denn die Reifezeitangaben in Rezepten sind immer nur ungefähre Richtwerte, gerade die Umgebungstemperatur und Aktivität des Sauerteigs haben einen großen Einfluss.
- Falten bzw. Dehnen und Falten – Alle vier Seiten des Teigs werden nacheinander erst nach oben in die Länge gezogen (gedehnt) und dann über die Mitte des Teigs gefaltet. Das sieht man in diesem Video sehr gut.
- freigeschoben – Ein Brot, das nicht in einer Form gebacken, sondern vor dem Backen zu einem Laib geformt wird.
- Krume – Das Innere des Brotes (im Gegensatz zur Kruste außen).
- Schwaden – Schwaden bedeutet, im Ofen für hohe Luftfeuchtigkeit zu sorgen. Z.B. indem mit einer Blumenspritze hineingesprüht wird oder Wasser in eine vorgeheizte, tiefe Pfanne oder Metallform voller Schrauben gegossen wird. Das sorgt u.a. für eine knusprigere Kruste. Sehr moderne Öfen haben manchmal eine extra Funktion hierfür. Achtung, schüttet nicht einfach Wasser auf den Boden des Ofens, dabei kann er zu Schaden kommen.
- ST – Sauerteig.
- TA – Teigausbeute. Sie gibt an, wie viel Wasser im Teig enthalten ist und ist damit ein Indikator dafür, wie weich ein Teig ist. Üblich sind meistens TA von 150 bis 180, dabei kommen dann 50-80 g Wasser auf 100 g Mehl.
- Vorteig – Eine kleine, vorab angemischte Teigmenge, die später dem eigentlichen Brotteig hinzugefügt wird, um die Eigenschaften des Brots in verschiedener Hinsicht zu verbessern. Für Vorteige werden trotz ihrer elaborierten Namen wie z.B. Brühstück, Poolish, Pâte fermentée oder Autolyse eigentlich immer nur ein paar simple Zutaten mit Wasser vermischt und eine Weile stehen gelassen. Die Details stehen (hoffentlich) im Rezept.
- Wirken – Wirken bedeutet den Teig in Brotform zu bringen. Wie beim Falten lohnt es sich einen Blick auf Videos zum Rund- oder Langwirken zu werfen, denn ein bisschen Technik macht euer Brot deutlich schöner und die Porung im Inneren gleichmäßiger.
Wenn euch weitere Fachbegriffe begegnen, schlagt sie einfach kurz nach (z.B. auf baeckerlatein.de). Die wichtigsten Begriffe werdet ihr schnell verinnerlicht haben.
Empfehlenswerte Anfängerrezepte
Das richtige Rezept macht viel aus. Sucht euch ein ausführlich und für euch verständlich formuliertes Rezept aus für eine Art Brot, wie es euch gut schmeckt, und haltet euch bei den ersten Versuchen möglichst genau daran, bis ihr ein Gefühl für den Teig bekommt. Achtet auch auf die Getreidesorten, Mehltypen und ob das Rezept explizit nach einer Knetmaschine verlangt. Sehr zuverlässig finde ich beispielsweise die Rezepte vom Plötzblog, unten findet ihr noch ein paar mehr Links. Ein taktischer Vorteil ist außerdem ein Brot, das in der Form oder im Topf gebacken wird, denn dann kann schon mal beim Formen nichts schief gehen. Vielleicht also ein in der Form gebackenes Dinkel-Saaten-Brot, falls ihr so etwas mögt? Oder ein Bauernbrot mit Buchweizen, das freigeschoben oder im Topf gebacken werden kann?
Ich selbst habe mich gleich zu Beginn an einem freigeschobenen Brot (also ohne Form) versucht, noch dazu ein reines Roggenbrot aus 100 % Vollkornmehl, trotz ganz jungem Sauerteig ohne unterstützende Hefe und das alles ohne richtiges Rezept. Man könnte meinen ich war mutig oder schlicht dumm, aber ich wusste einfach nicht, wie wichtig gerade für Brotback-Anfänger ein gutes Rezept ist. Deshalb war mein Brot dann auch etwas unförmig, sehr kompakt und geschmacklich ziemlich säuerlich. Aber (!) ich habe es trotzdem geliebt, denn es war mein erstes Sauterteigbrot und ich wollte doch unbedingt ein rundes Roggenvollkornbrot! Es klingt vielleicht merkwürdig – aber mich hat das sehr motiviert.
Das führt mich zum nächsten Punkt: Rechnet damit, dass erst mal etwas schief geht. Das wird es nämlich bestimmt und das tut es auch bei geübten Bäckern noch. Aber es wird mit der Zeit auf jeden Fall einfacher und ihr werdet ein besseres Verständnis und Gefühl dafür bekommen. Brot backen braucht Übung, aber das Schöne ist, dass das Üben wahnsinnig viel Spaß machen kann :)
Und falls ihr noch Fragen habt, Unstimmigkeiten oder Lücken in diesem Text gefunden habt oder ihn schlicht hilfreich fandet, freue ich mich sehr über einen Kommentar.
Frohes Backen!
Zum Weiterlesen:
- Schöne Rezepte z.B. auf ploetzblog.de, Der Klang von Zuckerwatte, grain de sel – salzkorn, Chestnut & Sage oder mit persönlichem Support von mir auch hier auf Herbs & Chocolate
- Begriffserklärungen auf baeckerlatein.de oder brotdoc.com/fachchinesisch
- Videos zur Teigverarbeitung auf dem Home Baking Blog
- Toller Blogartikel ebenfalls über die Grundlagen der Sauerteigbäckerei: “grain de sel – salzkorn: Backen mit Sauerteig… my way“
- Sauerteig-Forum für Rezepte, Anleitungen und individuelle Fragen
- Excel-Datei vom Plötzblog, um verschiedene Mehltypen durch Mischen zu simulieren (leider nicht mehr online).